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Stellungnahme zur Presseerklärung

des Kreises Paderborn

http://www.borchen.de/aktuelle_meldungen/stellungnahme-windenergie.php

 

Sehr geehrter Herr Allerdissen,

in der vorbezeichneten Angelegenheit kommen wir zurück auf unser Telefonat am vergangenen Dienstag. Inzwischen haben wir die Pressemitteilung, die der Kreis auf seiner Homepage veröffentlicht hat, zur Kenntnis genommen. Hierzu können wir Ihnen fol-gende Stellungnahme abgeben.

In der Pressemitteilung wird das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Minden nur bruchstückhaft wiedergegeben. Dadurch kann ein falscher Eindruck über die vom Gericht getroffenen Aussagen und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen entstehen. Ein Teil der Schlussfolgerungen, die ausweislich der Pressemitteilung aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Minden gezogen werden, sind daher nicht zutreffend.

 

Zunächst bleibt in der Pressemitteilung unerwähnt, dass das Urteil aufgrund einer Verpflichtungsklage auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ergan-gen ist. Im Rahmen dieser Entscheidung hat das Verwaltungsgericht inzident die Wirksamkeit der 8., 17. und 23. Änderung des Flächennutzungsplans der Gemeinde Borchen überprüft. Es handelte sich demnach nicht um ein Normenkotrollverfahren. Erst-instanzlich zuständig für ein solches Normenkontrollverfahren wäre das Oberverwaltungsgericht Münster. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, dass die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam. Im Unterschied zur inzidenten Überprüfung der Wirksamkeit eines FNP ist die Entscheidung im Normenkontrollverfahren allgemein verbindlich. Erklärt das Oberverwaltungsgericht einen Flächennutzungsplan für unwirksam, so ist die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre, § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung im Normenkontrollverfahren ist also auch für nicht am Prozess beteiligte Dritte verbindlich („inter-omnes-Wirkung“), während das Urteil zu einer Verpflichtungsklage unmittelbar nur für die Prozessparteien gilt („inter-partes-Wirkung“). Vor diesem Hintergrund ist die Aussage, das Verwaltungsgericht habe die 23. Änderung des Flächennutzungsplans der Gemeinde Borchen „in Gänze“ für unwirksam erklärt, unzutreffend.

Außerdem geht aus der Pressemitteilung nicht ausdrücklich hervor, dass es sich bei dem Urteil des Verwaltungsgerichts Minden um eine erstinstanzliche Entscheidung handelt. Ob diese Entscheidung in der zweiten oder dritten Instanz Bestand haben wird, ist derzeit noch offen. Denn die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Gemein-de Borchen hat mit Schriftsatz vom gestrigen Tage die Zulassung der Berufung beantragt. Bereits die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils, § 124a Abs. 4 Satz 6 VwGO. Die Hemmung der Rechtskraft bewirkt in der hier vorliegenden Verpflichtungssituation, dass der Ausspruch im Tenor des Urteils nicht vollstreckbar ist. Das Verwaltungsgericht Minden hatte ausweislich des Tenors der Entscheidung den Kreis Paderborn unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 10.7.2015 verpflichtet, über den Genehmigungsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Ge-richts erneut zu entscheiden. Das Gericht hat die Angelegenheit also noch nicht als spruchreif im Sinne vom § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO angesehen und daher kein Verpflichtungsurteil, sondern ein Bescheidungsurteil gefällt. Auch nach Rechtskraft der Entscheidung wäre der Kreis Paderborn daher nicht dazu verpflichtet, die begehrte Genehmigung für die Windkraftanlage zu erteilen. Das Urteil verpflichtet den Kreis lediglich zu einer Bescheidung, sobald das Urteil rechtskräftig ist. Der Kreis wäre in diesem Fall also verpflichtet, das Genehmigungsverfahren fortzuführen. Der Kreis wird insbesondere noch das gemeindliche Einvernehmen einholen müssen, soweit noch keine planungsrechtliche Genehmigungsreife bestand. Darauf hatte das Verwaltungsgericht Minden auf Seite 36 seines Urteils ausdrücklich hingewiesen. Sollte der Kreis am Ende des Verfahrens zu dem Ergebnis kommen, dass die Windkraftanlage nicht genehmigungsfähig ist, muss er den Genehmigungsantrag ablehnen. Vor diesem Hintergrund kann zum jetzigen Zeitpunkt keineswegs die Rede von einer Verpflichtung zur Erteilung der Genehmigung sein.

Hinzu kommt, dass die Verpflichtung zur Fortsetzung des Genehmigungsverfahrens erst ab Rechtskraft der Entscheidung entsteht. Da die Rechtskraft durch die Stellung des Antrags gehemmt wird und die Gemeinde Borchen diesen Antrag gestellt hat, ist die Entscheidung noch nicht rechtskräftig. Die Hemmung der Rechtskraft tritt für alle Verfahrensbeteiligten in gleichem Maße ein – unabhängig davon, wer den Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt hat. Der von der Gemeinde Borchen als Beigeladene gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung bewirkt also eine Hemmung der Rechts-kraft für den Kreis in seiner Eigenschaft als Beklagter. Folglich besteht derzeit aus die-sem Grund keine Verpflichtung zur Erteilung der Genehmigung, jedenfalls solange das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden nicht rechtskräftig ist.

Insofern ist die Aussage in der Pressemitteilung, der Kreis könne nicht mehr von der Wirksamkeit des Flächennutzungsplans ausgehen, nicht korrekt. Tatsächlich kann der Kreis wie bisher die Wirksamkeit des Flächennutzungsplans unterstellen, solange das Urteil des Verwaltungsgerichts nicht rechtkräftig geworden ist. Für den Kreis besteht vor Rechtskraft des Urteils insofern auch keine Rechtspflicht zum Handeln. Es spricht sogar Vieles dafür, dass der Kreis vor Rechtskraft des Urteils von der Wirksamkeit des Flächennutzungsplans ausgehen muss. Denn der Kreis als untere Immissionsschutzbehörde verfügt nach wie vor nicht über die dafür erforderliche Normverwerfungskompetenz.

Soweit in der Pressemitteilung davon die Rede ist, dass die Gemeinde Borchen spätestens hätte reagieren müssen, nachdem das Oberverwaltungsgericht Münster die Flächennutzungspläne von Bad Wünneberg und Büren gekippt habe, hinkt dieser Vergleich. Die Überprüfung des Flächennutzungsplans der Stadt Büren erfolgte nicht inzident, sondern im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens (mit den eingangs beschriebenen Rechtswirkungen). Außerdem haben in diesem Verfahren vollkommen andere Gründe zur Aufhebung des Flächennutzungsplans geführt. Im Büren-Urteil hatte die Antragstellerin ausweislich der Urteilsgründe die Fehler im Abwägungsvorgang innerhalb der Jahresfrist des § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB gerügt. Das Gericht musste sich daher nicht mit der Frage auseinandersetzen, ob der Bekanntmachungshinweis nach § 215 Abs. 2 BauGB irreführend war. Hier hat der Kläger unstreitig innerhalb von 7 Jahren seit dem Inkrafttreten sämtlicher Flächennutzungsplanänderungen keine formgerechte Rüge erhoben, sondern erst im laufenden Gerichtsverfahren die (Verfahrens-)Mängel der Planung gerügt. Das Verwaltungsgericht hat die Rüge dennoch als nicht verfristet angesehen, weil es Teile des Bekanntmachungshinweises der 23. und 8. Änderung als irreführend angesehen hatte. Nur mit dieser Argumentation war es dem Gericht überhaupt erlaubt, die Verfahrensfehler bzw. die Fehler im Abwägungsvorgang heute noch als beachtlich zu bewerten. Diese Fehler hätten – mit anderen Worten – nicht beachtet werden dürfen, wenn das Gericht den Bekanntmachungshinweis nicht beanstandet hätte. Der Fall aus Büren ist daher mit der Situation in Borchen nicht vergleichbar.

Auch der Fall in Bad Wünneberg lag anders. Dort handelte es sich zwar wie hier um eine Inzidentüberprüfung eines Flächennutzungsplans. Allerdings war das Verfahren bis in die zweite Instanz fortgeschritten. Im Rahmen des Berufungsverfahrens hatte das Oberverwaltungsgericht Münster einen Abwägungsfehler festgestellt und diesen für beachtlich gehalten, weil in der Bekanntmachungsanordnung ausweislich der Urteilsgründe überhaupt nicht auf die Unbeachtlichkeit von ungerügten Abwägungsmängeln hingewiesen worden war. In Borchen war dieser Hinweis jedoch unstreitig erfolgt. Das Verwaltungsgericht Minden hält den Hinweis in der Schlussbekanntmachung der 23. Änderung jedoch für irreführend, weil dieser auf die Unbeachtlichkeit von Mängeln der Abwägung hinweist, ohne zwischen Mängeln des Abwägungsvorgangs und Mängeln des Abwägungsergebnisses zu unterscheiden. Die Ausgangssituation in Borchen ist daher eine vollkommen andere als in Bad Wünnenberg.
Weder das Normenkontrollurteil über den Flächennutzungsplan in Büren noch das Urteil zum Flächennutzungsplan in Bad Wünnenberg haben daher Anlass gegeben, die 23., die 17. oder gar die 8. Änderung des Flächennutzungsplans in Borchen für unwirksam zu halten.

Letztlich hat die Klage vor dem Verwaltungsgericht auch nicht allein wegen eines Fehlers im Abwägungsvorgang aufgrund der vom Verwaltungsgericht festgestellten fehlenden Dokumentation der Unterscheidung zwischen harten und weichen Tabuzonen Erfolg gehabt. Denn dieser Fehler führte nach Auffassung des Verwaltungsgerichts nur zur Unwirksamkeit der 23. Änderung des Flächennutzungsplans. Dieser Befund allein hätte der Klage jedoch nicht zum Erfolg verholfen, weil dem Vorhaben dann immer noch die Höhenbegrenzung der 17. Änderung entgegen gestanden hätte.

Etwaige Mängel der 17. Änderung des Flächennutzungsplans sind – das ist den Urteilsgründen auf S. 30 – zu entnehmen, heute nicht mehr beachtlich. Das Verwaltungsgericht hält die 17. Änderung dennoch für unwirksam, weil es im Rahmen der 8. Änderung des Flächennutzungsplans einen Verfahrensfehler bei der Offenlage erkannt haben will, der wegen eines angeblichen Fehlers im Bekanntmachungshinweis nach § 215 Abs. 2 BauGB heute noch beachtlich sei. Dieser Verfahrensfehler schlage auf die Wirksamkeit der 17. Änderung durch, weil die mit der 17. Änderung erfolgte Höhenbegrenzung ohne die 8. Änderung gegenstandslos sei.

Im Kern lautet die Argumentation des Verwaltungsgerichts: Ein Verfahrensfehler aus dem Jahre 1996 führt zur Unwirksamkeit der Flächennutzungsplanänderung aus dem Jahre 2001. Weil der Kläger diesen Verfahrensfehler erstmals im Jahre 2016 gerügt hat, ist der Fehler beachtlich und führt zur Unwirksamkeit der Höhenbegrenzung.
Über einen Fall mit derart weit zurückliegenden Verfahrensfehlern ist – soweit ersichtlich – bislang noch nicht entschieden worden. Die Aussage, Rechtsmittel gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden hätten kaum Chancen auf Erfolg, ist daher äußerst fraglich.

Prozessrechtlich nicht nachvollziehbar ist die Aussage in der Pressemitteilung, dass es nicht zu einem Urteil gekommen wäre, wenn die Gemeinde Borchen „in letzter Sekunde“ das gemeindliche Einvernehmen erteilt hätte. Abgesehen davon, dass die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens rechtswidrig gewesen wäre, weil im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch von der Wirksamkeit der Höhenbegrenzung im Flächennutzungsplan auszugehen war, hätte eine solche Erklärung nicht zur Erledigung des Rechtsstreits geführt. Erst die Erteilung der Genehmigung hätte den Kläger klaglos gestellt.

Soweit der Landkreistag und der Gemeindeversicherungsverband darauf abstellen, dass die Ausweisung von Konzentrationszonen bzw. die Höhenbegrenzung für Wind-kraftanlagen einer städtebaulichen Begründung bedarf, ist das zwar zutreffend. Wie gezeigt waren die diesbezüglich vom Verwaltungsgericht festgestellten Mängel der Planung der Gemeinde Borchen nicht ausschlaggebend für den Erfolg der Klage vor dem Verwaltungsgericht. Die Klage hatte letztlich allein wegen eines Verfahrensfehlers bei der Bekanntmachung der Offenlage im Jahre 1996 Erfolg. Hätte das Gericht diesen Fehler nicht als heute noch beachtlich angesehen, wäre es auf die Frage, ob die Planung inhaltlich zu beanstanden ist, nicht mehr angekommen.